Auch wenn die Bezeichnung es vielleicht nahe legt – diese japanischen Teenager und jungen Frauen haben nichts außer dem Namen mit Nabokovs „Lolita“ gemein. Sie sind vom viktorianischen Stil und vom historischen Europa fasziniert und kleiden und verhalten sich entsprechend der historischen Vorbilder - oder besser gesagt: ihren Vorstellungen von diesen.
Die Ursprünge des Lolita-Stils lassen sich nur erahnen, da z.B. Designer wie Baby The Stars Shine Bright schon sehr früh, vor der Entstehung der eigentlichen Streetfashion-Kultur in Japan, zu arbeiten begannen. Man kann nur vermuten, dass diese Menschen schon damals von viktorianischer Mode oder dem Rokoko begeistert waren und dass dies eventuell der Anstoß zu solchen Kostümen war.
Generell auf ein kindliches, niedliches und puppenhaftes Aussehen ausgelegt, beinhaltet der klassische Lolita-Look Blusen mit Puffärmeln und Rüschen. Knielange, eventuell durch eine Krinoline aufgepolsterte Röcke unter denen ‚bloomers’, kurze Damenpumphosen, getragen werden sind ein weiteres Grundelement. Darunter werden meist Kniestrümpfe und Mary Janes (runde, flache Schuhe mit Riemen) getragen. Plateausohlen sind allerdings auch sehr beliebt. Die Haare werden entweder lang und hochgesteckt getragen oder durch Perücken, oft mit (Korkenzieher-)Locken, verdeckt. Bedingung für diesen Stil ist ebenfalls ein Pony. Beliebt sind auch Kopfbedeckungen wie kleine Zylinder, Schleifen, Hauben oder sogenannte ‚headpieces’, mit Bändern gehaltene, verzierte Stoffstreifen.
Die Stilikonen der Lolita-Subkultur sind Mana, Ex-Gitarrist und Bandleader von Malice Mizer und jetzt Moi dix Mois sowie Kana. Beide sind regelmässig im Szenemagazin Gothic & Lolita Bible als Models zu sehen. Neben anderen berühmten Musikern und Models, die in der neusten Mode der bekanntesten Marken posieren, findet man in diesen Zeitschriften Schnappschüsse von Lolitas in Japan's Strassen und Clubs, Schminktipps, Nähvorlagen usw.
Amaloli
(zusammengesetzt aus甘い, ‚amai’, ‚süß’ und Lolita) tragen meist Pastell- oder sehr helle Farben, mit Früchten bedruckte Stoffe, oder Ginghams. Außerdem sind Stofftiere oder kleine, niedliche Taschen bei ihnen häufige Accessoires. Amaloli-Kleidung wird unter anderem von , und verkauft.
Aristocrat
Neben dem klassischen Lolita-Stil existiert noch ein weiterer, meist als Aristocrat oder neuerdings auch als Gothic bezeichneter, der von beiden Geschlechtern getragen wird. Dieser ist wie alle Lolita-Spielarten separat zur Gothic-Szene Japans zu sehen, doch ist der Übergang hier mehr oder weniger fliessend .
Zwar ist die Begeisterung für viktorianische Kleidung immer noch stark zu spüren, allerdings ohne das Puppenhafte der Classic Lolitas. Die Schnitte sind erwachsener, ab dem Hals soll hier strenggenommen der gesamte Körper bedeckt sein (daher werden auch manchmal Handschuhe getragen). Lange Röcke und Hosen gehören allerdings mindestens zum Erscheinungsbild, ebenso wie hochgeschlossene Oberteile. Zylinder und lange Mäntel sind ebenso sehr beliebt. Eleganz tritt hier an die Stelle der Niedlichkeit, sowohl in Bezug auf die Kleidung als auch auf das Verhalten, und es wird stärkeres Makeup getragen.
Manas eigene Interpretation dieses Stils nennt er Elegant Gothic Aristocrat. Neben seiner Marke Moi-même-Moitié vertreibt unter anderem auch Atelier BOZ Aristocrat-Kleidung.
Cosplay Lolita
Auch als Cosloli bekannt. Dieser ganz besondere Stil ist äußerst selten auf der Straße anzutreffen, sondern wird eher auf Conventions und Fantreffen getragen. Coslolis tragen sehr außergewöhnliche Kostüme, die eher schon Richtung Cosplay gehen, aber trotzdem noch etwas vom Lolita-Stil haben. Meist unterscheidet sich diese Art des Lolita Stils auch durch die verwendeten Materialien. Stoffe und Spitzenborten der Cosloli gelten oftmals als qualitativ "minderwertig".
Country Lolita
Ideale der Country Lolita sind Alice im Wunderland und die 'Südstaatenromantik' aus alten amerikanischen Filmen. Auch hier sind Pastellfarben, Karos, Blumen- und Fruchtmotive sehr beliebt, werden allerdings durch helle Brauntöne und abgedämpfte Farben ergänzt. Accessoires sind hier meist weniger elegant und ebenfalls ‚ländlich’ inspiriert – Strohhüte, Basttaschen, Seidenblumen. Schürzen sind ebenfalls ein beliebtes Stilelement. Beispiele für Country Lolita-Kleidung liefern Victorian Maiden und Mary Magdalene.
Gothic Lolita
Gothic Lolita ist zwar nur eine Spielart des klassischen Lolita, allerdings mit die beliebteste.
Die Kleidung der ゴスロリ (gosuloli, wie sie oft im Japanischen genannt werden) entspricht zwar von den Schnitten und Elementen her der der Classic Lolitas, unterscheidet sich aber in der Farbgebung. Hier werden meist Schwarz und Weiß als Hauptfarben verwendet, zeitweise durch andere dunkle Farbtöne ergänzt. Alles soll ein wenig ‚erwachsener’ wirken, auch die Accessoires. Schmuck mit Kreuzen und Ähnlichem ist beliebt, ebenso wie Sonnenschirme, Handtaschen (z.B. in Fledermaus-Form) und Kuscheltiere. Stärkeres Make-up ist bei Gothic Lolitas häufiger zu sehen als bei Amalolis, hier werden gerne die Augen oder der Mund betont.
GL-Marken sind unter anderem Moi-même-Moitié, Atelier Pierrot, h.Naoto Blood und FRILL, allerdings kann man sagen, dass mittlerweile fast alle gängigen Labels der Szene Kleidung in ihrem Sortiment haben, die von Gothic Lolitas getragen wird.
Obwohl es sich bei der Gothic Lolita-Szene und der japanischen Gothic-Szene um zwei verschiedene Subkulturen handelt, so gibt es doch Überschneidungen, auch wenn Vertreter beider Szenen das mitunter gerne bestreiten. Gothic-Events wie Tokyo Dark Castle werden auch von Gothic Lolitas und Aristocrats besucht, das Szenemagazin Gothic & Lolita Bible berichtet über sie und bei Gothic Lolita-Events wie Alamode legen z.T die gleichen DJs auf wie bei Gothic-Events.
Kodona
Kodona (子供, ‚kodomo’, ‚Kind’ und大人 ‚otona’, ‚Erwachsener’) ist das männliche Pendant zur Classic Lolita. Vorbild war hier die Vorstellung von einem Schuljungen in der viktorianischen Zeit, in der Kinder gerne als ‚kleine Erwachsene’ gekleidet und ausstaffiert wurden. Niedlichkeit ist auch hier sehr wichtig. Die Grundelemente sind knielange Hosen, Kniestrümpfe, Hemden, ‚peacoats’ (kurze zweireihige Seemannsmäntel), Stiefel und Fliegen oder kurze Krawatten. Allerdings kleiden sich nicht nur Jungen so, Kodona ist auch bei Mädchen beliebt.
Lolita Fashion Album
-Andere-
Cross-Dressing
ist, unabhängig vom jeweiligen Beweggrund, das Tragen der spezifischen Bekleidung eines anderen Geschlechts.
Das Wort wurde in den frühen 1970er Jahren in den USA von einer Gruppe von heterosexuellen Cross-Dressern geprägt, um die (damals?) bestehenden Assoziationen von Transvestitismus zu Schwulen und transvestitischem Fetischismus zu vermeiden. Während der Begriff schnell aufgegriffen wurde, um jedwedes Tragen andersgeschlechtlicher Bekleidung zu bezeichnen, trifft man es auch noch in der ursprünglichen Bedeutung an, siehe dazu Cross-Dresser.
Cross-Dressing, das Ausdruck der Geschlechtsidentität einer Person ist, wird zu Transgender gerechnet, anderes Cross-Dressing nicht.
Decora
(デコラ, von ‚decorated’) kam fast zeitgleich mit dem wamono auf.
Die damalige Streetfashion-Szene suchte sich Idole innerhalb der eigenen Gruppe, die sich durch besondere Kreativität heraushoben, und kopierte ihren Stil. Das führte dazu, dass diese Idole sich wiederum anders und immer extremer kleiden mussten um noch aufzufallen. So entwickelte sich mit der Zeit Decora, ein Stil, der vor allem durch viele bunte und aufwändige Accessoires geprägt ist. Auch Kinderspielzeug und –schmuck wurden bald Grundelemente, da für Kinder konzipierte Comic-Charaktere auch bei vielen japanischen (insbesondere weiblichen) Jugendlichen sehr populär sind.
Für die Kleidung gibt es eigentlich keinerlei 'Regeln', aber viele Decora-chan tragen den Layer-Look, also mehrere Schichten von Shirts etc. übereinander. Beliebt sind auch Röckchen in Kombination mit vielen verschiedenfarbigen Strümpfen und Stulpen an den Beinen.
Aus dieser 'Kombinationsfreiheit' leitet sich auch ab, dass es hier, im Gegensatz zum Lolita-Stil, nicht so leicht möglich ist, komplette Ausstattungen mit Kleidung, Accessoires und Schuchen zu kaufen. Folglich gibt es auch keine Kleidungshersteller, die ausdrücklich als 'Decora-Labels' zu bezeichnen sind.
Allerdings kaufen die Decora-chan verstärkt bei einigen bekannten Streetfashion-Marken und Shops - unter ihnen sind oder waren Candy Stripper, 6% DokiDoki, Super Lovers, Wild & Lethal Trash, Binary, Koji Kuga, 20471120, Hysteric Glamour, Milk und Mezzo Piano.
Gal/Ganguro
Auch Orange- oder Egg-Girls genannt. Japanischer Modetrend aus Shibuya, der sich Mitte der 90er auch besonders in Shinjuku, Ahikabara, Roppongi or Akasaka verbreitet hat.
Hier gibt es, ebenso wie bei den Lolitas, viele Untergruppen, die ihre eigene Interpretation des Stils entwickelt haben.
Die Gals erkennt man generell an ihren blondierten Haaren und der durch Cremes und Betacarotin-Tabletten oder im Sonnenstudio stark gebräunten Haut (daher der Name 'ganguro': gan = Gesicht und guro bzw. kuro= schwarz). So wollen sie eine Art 'California beach girl look' kreieren und ihren Idolen, in früheren Tagen Namie Amuro und Ayumi Hamasaki, derzeit amerikanische R&B-Sängerinnen, ähnlich sein. Sie wenden sich komplett gegen das traditionelle japanische Schönheitsideal von blasser Haut und dunklen Haaren.
Kogals (コギャル, kogyaru, ko von 高校生 'kôkôsei', Highschool-Schülerin, gyaru von engl. 'gal', girl) sind so etwas wie die 'light'-Variante der Ganguro, sie sind kaum gebräunt und tragen auch nur dezentes Make-up. Ihr Markenzeichen sind meist die 'loose socks', weite und extrem lange weiße Stulpen. Sie werden zur vorgeschriebenen Schuluniform getragen und sind eine der wenigen Möglichkeiten, dieser eine persönliche Note zu verleihen.
Ein mago gal ist ein junges Mädchen (14-15 Jahre alt, junior high-Schülerin) das diesem Trend folgt, und ein onee gal sein älteres Pendant ('oneechan' heißt übersetzt 'ältere Schwester').
B-gals sind kogals, die Fans der amerikanischen Hiphop-Szene sind und sich auch entsprechend kleiden. Für sie sind die jeweils aktuellen R’n’B-Acts modische Vorbilder.
Ganguro sind so etwas wie die Ursprungsform. Sie tragen mehr Make-up und sind stärker gebräunt, meist ist ihre Mode auch auffälliger als die der Kogals. Noch dunkler als die Ganguro sind die Gonguro gebräunt. Ihr hellhäutiges Gegenstück sind die Ganjiro (von 白い, 'shiroi', 'weiss'), eine Gruppierung, die sich erst in den späteren Jahren dieses Trends herausbildete.
(Ya)Manba (ヤマンバ, benannt nach der japanischen Sagengestalt 山姥, ‚Yama-uba’, einer Berghexe) sind die auffälligste Gruppierung. Sie treiben die Merkmale der ganguro auf die Spitze, tragen sehr dunkles Make-up und viel weißen Lidschatten um die Augen herum, weshalb sie von Spöttern gerne mit Pandas verglichen werden. Glitzersticker im Gesicht sind ebenso sehr beliebt. Die yamanba tragen ihre Haare meist sehr stark gebleicht, sodass sie fast weiß wirken, oder sie fügen farbige Strähnen ein. Accessoires sind auch hier beliebt, insbesondere Disney-Figuren wie Winnie the Pooh sind ständige Begleiter der yamanba. Teilweise geht diese Liebe sogar soweit, dass die ganguro Ganzkörper-Plüschkostüme dieser Figuren tragen.
Sentaa (センター, 'center' für 'von der Center Street') ist die Bezeichnung für die männlichen Yamanba.
Mittlerweile sagen viele, der Ganguro-Trend sei wieder ausgestorben und die Mädchen, die ihm folgten, seien wieder Teil der ‚normalen’ Jugend Tokyos geworden. Extreme Gruppen wie die Yamanba sind wirklich fast verschwunden, aber viele Gals sind B-Gals geworden und so lebt der Stil in dieser Szene weiter. Auch gibt es weiterhin in der Clubszene viele gebräunte Mädchen mit gebleichten Haaren.
Die bei den Gals beliebten Marken sind westliche Luxuslabel wie Louis Vuitton, Chanel, Dior und Gucci, aber es existieren auch japanische Marken wie Albarosa und Cocolulu. Ihr Einkaufsparadies ist das Kaufhaus 109 in Shibuya.
Wamono
Wamono (和物, japanische Dinge) war der erste Stil, in dem sich die eigenen Ideen in der japanischen Streetfashion zeigten. Beeinflusst und beeindruckt von dem Bild, welches der Westen sich von Japan zeichnete, begannen die modeinteressierten Japaner, traditionelle Gewänder für sich wiederzuentdecken. Sie kombinierten z.B. Kimono-Elemente wie den Obi (den ‚Gürtel’ des Kimono) mit Alltagskleidung und hoben sie so in eine für die Mode ganz neue Bedeutungsebene. Außerdem arbeiteten sie die Gewänder zu neuen Materialmix-Modellen mit westlichen Anteilen um oder verwendeten traditionell bestickte oder bedruckte Stoffe für Applikationen. Auch Schuhe oder Schmuck wurden darauf abgestimmt. Dieser Stil lebt bis heute weiter und es gibt sogar Designer, die erfolgreich wamono-Kleidung verkaufen.
Zwei Beispiele hierfür sind gouK und Takuya Angel .
Auch Bands wie ドレミ團 (doremidan) verwenden wamono-Elemente in ihren Bühnenoutfits und Performances und zeigen so noch einmal die Bedeutung, die dieser Stil trotz der derzeit viel bekannteren Richtungen wie Lolita weiterhin hat.